Samstag, 14. Januar 2012

Afrika!


Tatsächlich, wir sind in Afrika!
Wobei „vor Afrika“ die Situation besser beschreiben würde, denn wir liegen im Hafen von Palmeira, auf der kaperdischen Insel Sal vor Anker und im Gegensatz zur restlichen Crew habe ich noch keinen Fuß an Land gesetzt. Im engen, recht vollen Ankerfeld, mit Steinen in Lee, war es mir gestern Abend lieber an Bord zu bleiben und Ankerwache zu gehen.


Nach genau sechs Tagen und rund 820sm sind wir gestern Nachmittag um 16.00Uhr hier angekommen, wir haben deutlich länger benötigt als vorher angenommen.
Meteologie ist keine exakte Wissenschaft, der Wind wehte deutlich schwächer als angekündigt und kam fast immer genau von hinten – das sind keine Bedingungen für eine schnelle Passage.
Schön war es trotzdem.
Der Reihe nach.
Nachdem wir am Samstag die Insel El Hierro verlassen und das Vulkan-Sperrgebiet umfahren haben, passte erstmal alles, Wind, Wetter, Stimmung. Mit Siebenmeilen-, oder besser Siebenknotenstiefeln ging es Richtung Süden. Eine ganze Zeit war der Atlantik noch vom Vulkan grün gefärbt und erst als wir wirklich Blauwasser unter dem Kiel hatten wichen die letzten kleinen Bedenken. Wenn Mutter Erde brodelt und blubbert ist es ja doch ein wenig unheimlich.
Aber schon am Sonntag ließ der Wind deutlich nach und aus den Siebenknotenstiefeln wurden eher Dreiknotenstiefel. Ein erster Versuch den Spi zu setzen scheiterte an ungenügender Vorbereitung, das entstandene Wuling nahm mir zunächst alle Lust auf das bunte Tuch.
Unter Schmetterlingssegeln, d.h. das Großsegel auf der einen und die ausgebaumte Genua auf der anderen Seite, setzten wir unseren Kurs fort.
Alle an Bord brauchten erstmal ein wenig Zeit um sich an die Situation zu gewöhnen, ständige Bewegung, ungewohnte Geräusche, verkürzte Schlafphasen und auch Langeweile.
Bei Schwachwind gibt es nicht viel zu tun, der Autopilot hält den Kurs, die Segel brauchen nicht ständig gewechselt oder justiert zu werden und kochen kann man auch nur einmal am Tag. Das haben wir aber mit großem Einsatz zelebriert und während der Tage auf See warlich geschlemmt.
Wer sich nicht gleich in ein gutes Buch vertiefe kann, weiß schnell nichts mehr mit sich anzufangen. Abwechslung brachte immer wieder die Natur, mit großem Hallo begrüßte Delphine, vereinzelte kleine Vögel mitten auf dem Ozean, tapfer gegen den Wind segelnde Portugiesische Galeeren (eine wunderschön blaue Qualle, die einen Teil ihres Körpers aus dem Wasser streckt und so wirklich gegen den Wind segelt) und ab und zu ein fliegender Fisch.
In der Nacht zum Dienstag verzog sich dann auch die allerletzte kleine Wolke und für die nächsten 70 Stunden segelten wir unter wolkenlosem Himmel, immer in kurzer Hose und ohne Schuhe, wir sind tatsächlich auf der Barfußroute.
Die ruhigen Bedingungen liessen uns auch einen zweiten Versuch mit dem Spinnaker starten, diesmal besser und sorgfältig vorbereitet klappte auch alles bestens... nur leider erwies sich der so günstig geschossene Spibaum als nicht optimal, der eine Beschlag schliesst nicht komplett und so rutschte die Schot aus der Führung und der Spi taumelte frei vor dem Mast.
Bevor wir ernstlich reagieren konnten hatte er sich um die aufgerollte Genua und auch ums Kutterstag gewickelt und war von Deck nicht mehr zu bergen.
Nach mehreren Monaten kam ich so also endlich dazu meine Gioia von oben zu sehen.
Im Bootsmannstuhl ließ ich mich von Jesse in den Mast winschen, lößte den Spi vom Fall, wickelte ihn um Kutterstag und Genua und war doch nicht wenig glücklich als ich mit dem unbeschädigten Segel wieder heil an Deck stand. Auch wenn der Ausblick sehr eindrucksvoll war, richtig geniessen konnte ich ihn nicht...


Amüsant dabei war noch, dass ich ansich gerade dabei war Brote zu backen und meine Zeit im Mast dazu nutzte, den Sauerteig gehen zu lassen. Die Brote wurden großartig und am Abend gab es ein gemeinsames Abendbrot für alle im Salon.



Die folgende Nacht brachte Meeresleuchten und erst als der Vollmond, wie in jeder Nacht den Himmel beleuchtete verblasste das Blinken im Wasser ebenso wie der Sternenhimmel.
Für einen engagierten Segler war der Wind fast zum verzweifeln, schwach, drehend und fast immer genau von hinten. So zuckelten wir mit 2-4 Knoten langsam dem Ziel entgegen und unsere berechnete Ankunftszeit wurde immer später.
Erst am Freitag Morgen bewölkte sich der Himmel und wehte mehr Wind, endlich zeigte die Logge wieder die von meiner bisherigen Reise gewohnte Geschwindigkeit, 7-8 Knoten und manchmal auch ein wenig mehr. Der Himmel blieb grau und es gab sogar einige wenige Regentropfen und erst 12 Meilen vor dem Landfall tauchten die Umrisse der Insel Sal aus dem Dunst auf. Kaum verringerte sich die Wassertiefe (von über 3000m auf ca 1000m) da tauchte auch schon unser Begrüßungskommitee auf, aus allen Richtungen stürmten sicherlich vierzig Delphine auf die Gioia zu, surften vor dem Bug, guckten uns in die Augen und sorgten für lachende Gesichter und Herzen.
Direkt vor der Küste sahen wir auch noch einen springenden Mantarochen – das wars aber auch mit Fischen, trotz mehrfacher Versuche gelang es uns nicht einen an die Angel zu bekommen und so blieb unsere Kost, abgesehen von ein wenig iberischen Schinken und einer Dose Thunfisch (auf der Pizza), vegetarisch.
Die Ankunft hier in Palmeira war für mich ausgesprochen spannend, noch nie habe ich in einem so dichten Ankerfeld den Haken fallen lassen müssen, zwanzig Meter links, rechts und vor uns liegen die nächsten Yachten aber meine Sorge blieb unberechtigt, erst heute früh um sechs holte uns der Ankeralarm aus den Kojen und das auch nur weil sich der Schwoikreis wegen Niedrigwassers vergrößert hatte.
Langsam wächst mein Vertrauen in den Anker und den Ankergrund und so werde ich jetzt erstmals die Crew an Land begleiten, einklarieren und gucken ob ich einen Internetzugang finde.