Dienstag, 29. Mai 2012

Saisonabschluß

Nachdem wir mit großer Crew, wir waren gänzlich zu acht an Bord, am Samstag die Gioia vom Ankerplatz im Spanish Water entlang der Südküste Curacaos zum großen Hafen von Willemstad gebracht haben, begannen für mich arbeitsreiche Stunden. Was in Deutschland üblicherweise im Oktober, vor dem Winterlager, ansteht, galt es nun hier in den Tropen bei 30° im Schatten zu erledigen. Segel abschlagen und zusammenlegen, Proviant sortieren und von Bord bringen, Anbauteile wie Solarpanele oder Elektronik abbauen und unter Deck sicher verstauen. Am mühsamsten und letztlich auch am unnötigsten war aber sicher die Reinigung meiner Edelstahl-Ankerkette. Wie ja schon beim Dinghiboden zu sehen war, scheint das Wasser im Spanish Water ziemlich nährstoffreich zu sein und entsprechend sah auch die Ankerkette aus. Schon beim Einholen haben wir geschrubbt wie die Weltmeister aber bei weitem nicht alle Algen runter bekommen. Deshab habe ich die Kette schön in langen Schlingen auf dem Steg ausgelegt und bin den Algen mit Bürste und Süßwasser zuleibe gerückt. Leider konnte ich dabei an fünf Kettenglieder deutlichen Lochfraß feststellen. Das diese Gefahr bei Edelstahlketten in den Tropen besteht, war mir bekannt, allerdings hatte ich doch gehofft, dass ich ein wenig länger davon verschont bleibe, hatte mir doch Gioias Voreigner versichert, dass es sich bei der Kette um eine vernünftige Qualität und keine billige Chinaware handelt.
Nun werde ich kaum um eine neue Kette herum kommen. Mittlerweile steht die Gioia sicher auf dem Trockenen, aufgepallt und festgezurrt. Das Slippen ging problemlos und recht zügig, nach dem Dampfstrahlen ist der Rumpf auch wieder schön sauber. Den letzten Tag verbringe ich mit Wäschewaschen im Haus von Freund Matthes, der mich dann am Abend auch zum Flghafen bringen wird.

Lebendes Gummi

In der Meerwasseraquaristik verwendet man sogenannte lebende Steine, das sind Brocken aus Korallengestein die von Mikroorganismen, Algen und Larven besiedelt sind und im frisch eingerichtetem Aquarium für erstes Leben sorgen. Heute habe ich kurz überlegt ob ich nicht ein Alternativprodukt auf den Markt bringe. Lebendes Gummi. Nach nur vier Wochen war mein Dinghi derartig bewachsen, dass ich eine Menge Aquarien damit hätte besiedeln können. Der Unterboden war nicht nur flächendeckend von z.T. über einen cm dicken Seepocken und etwa fünf cm langen Algenfäden bewachsen, dazwischen saßen auch viele Weichkorallen und sogar Schwämme. Ich alte Umweltsau hab dieses komplette Biotop kurzerhand mit Spachtel und Bürste vernichtet und zurück ins Meer gespült. Dennoch, so fürchte ich zumindest, wird das eingepackte Dinghi unter Deck in den nächsten Monaten einen kräftigen Duft nach Bouillabaisse verbreiten. Immerhin hat mir dieses Erlebnis meinen Glauben an die Wirksamkeit von Antifouling zurück gegeben, denn ganz so schlimm sieht der Rumpf des Mutterschiffes dann doch nicht aus.

Freitag, 25. Mai 2012

Das Ende der Sehnsucht

Traurige Nachrichten. Im letzten Beitrag hatte ich noch von meiner Sorge um Segelfreund Victor geschrieben, wusste ich doch, dass er sich mit seiner SY-Sehnsucht in diesen Tagen von Florida aus auf den Weg in Richtung Heimat machen wollte. Dabei hatte ich natürlich den Sturm Alberto im Sinn, nun muß ich leider berichten, dass Stürme nicht das einzige Risiko sind. Wie ich auf Facebook lesen muß, hat Victor seine Sehnsucht etwa 700 Meilen vor der amerikanischen Küste durch ein Feuer an Bord verloren. Skipper und Crew sind abgeborgen und wohlauf, wenn wohl auch ziemlich geknickt. Über die näheren Umstände ist mir aber nichts bekannt. Tschüss Sehnsucht, warst ein schönes, elegantes Boot... An Bord der Gioia ist alles okay, morgen segeln wir nach Willemstad und am Montag kommt sie dann aufs Trockene.

Montag, 21. Mai 2012

Rasmus gibt mir Recht

Wie zur Bestätigung meiner Entscheidung eine Pause einzulegen, vermelden die Wetterdienste heute den ersten benannten tropischen Sturm dieser Saison. Benannte Stürme (named storms)sind eine Vorstufe zum Hurricane und sind sogar ein Bestandteil meiner Versicherungspolice. Darin findet sich die "named storm" Klausel, die die Haftung bei Schäden durch eben diese Stürme einschränkt. Sturm Alberto ist ziemlich früh dran, zuletzt betrat Arthur im Jahr 2008 die atlantische Bühne bereits im Mai und damit vierzehn Tage vor dem offiziellen Beginn der Hurricanesaison. Alberto ist aber zum Glück weit weg von Curacao, momentan treibt er östlich von Florida sein Unwesen. Hoffentlich ist Freund Victor rechtzeitig losgekommen und inzwischen in sicheren Gewässern. Allerdings weht es hier in der Ankerbucht auch ganz schön kräftig, Dinghifahren wird zu einer äußerst nassen Angelegenheit und des Skippers Ohren sehnen sich nach einem Moment der Ruhe - es pfeift und plätschert, das Sonnensegel flattert und bald bin ich soweit die Oropax rauszuholen... Ansonsten ist alles im Lot, ich mache klarschiff und bereite Gioia für den Landaufenthalt vor.

Samstag, 19. Mai 2012

Der Pazifik kann warten

Nach langem hin und her habe ich mich endlich zu einer Entscheidung durchgerungen. Ende des Monats kommt die Gioia für einige Monate aufs Trockene und der Skipper geht auf Heimaturlaub. Gestern habe ich den Krantermin und den Stellplatz klar gemacht und einen Flug gebucht. Diese Entscheidung hat verschiedene Gründe. Hauptsache ist aber erstmal, dass ich mich sehr wohl damit fühle und überzeugt bin, hier und jetzt das Richtige zu tun. Zunächstmal hatte ich ja schon geschrieben, dass das Segelfeuer nach nunmehr acht Monaten an Bord und 6.000 Seemeilen im Kielwasser nicht mehr ganz so heiß in mir brennt, ich möchte es einfach ein bisschen ruhiger angehen lassen. Entspanntes Inselhopping ist aufgrund der Jahreszeit jetzt aber nur noch eingeschränkt möglich, hier unten wird’s langsam immer heißer und feuchter, im Norden drohen Hurricane und im Westen beginnt die Regenzeit. Mich jetzt in Richtung Panamakanal zu begeben hätte mir Bachschmerzen bereitet, die lange Anmeldeprozedur bei tropischen Regenfällen zu erledigen, eventell aufgrund des späten Termins keine anderen Boote zur gegenseitigen Unterstützung mehr zu treffen und dann den riesigen Pazifik mit Zeitdrck im Nacken angehen zu müssen, nein, das hätte womöglich Stress bedeutet und dem gehe ich lieber aus dem Weg. Alternativ wären noch die SanBlas Inseln vor Panama in Frage gekommen, aber auch dort hält langsam die Regenzeit Einzug und eine Möglichkeit die Gioia sicher an Land zu stellen wäre westlich von hier nicht absehbar gewesen. Wie ich es schon geschrieben habe, point of no return. Die südamerikanische Festlandsküste ist mit Sicherheit sehr sehenswert, allerdings in weiten Teilen nicht wirklich sicher (zumindest was Venezuela angeht) und auch kein Ort um Gioia ggfs alleine zu lassen. Hier auf Curacao zu übersommern habe ich einfach keine Lust, die Bucht ist zwar sicher und gut geschützt, die Infrastruktur ausgesprochen komfortabel aber es wird verdammt heiß, bei nächtlichen Regenfällen und deshalb geschlossenen Decksluken herrscht unter Deck ein saunaartiges Klima das nicht wirklich schlaffördernd ist. Zudem wird es nach einigen Wochen am gleichen Ort allein an Bord auch mal langweilig. Jetzt habe ich die Möglichkeit mir in Ruhe zu überlegen wie es weitergeht (das es weiter geht steht ausser Frage), im Herbst zu den San Blas oder doch noch eine Runde durch die östliche Karibik. Vielleicht finden sich auch andere Boote mit denen ich gemeinsam einen Teil des weiteren Weges angehen kann. Jetzt kommt die Gioia also erstmal an Land, die moderne Werft ist absolut sicher und gut ausgestattet, im Herbst habe ich dann noch Gelegenheit das Unterwasserschiff neu zu streichen und einige Lackstellen auszubessern. In der Zwischenzeit werde ich in Deutschland versuchen ein bisschen Geld zu verdienen, einige Weichen für die Zukunft stellen, meine Familie und Freunde wiedersehen und es genießen mal wieder nachts zu frösteln, lange Hosen und mehr als ein T-Shirt zu tragen. Nur vor der Vorstellung von Socken und festem Schuhwerk graut es mir, immerhin haben meine Füße jetzt sechs Monate ununterbrochen Luft und Freiheit genossen.

Donnerstag, 10. Mai 2012

Internet, Wetter, Weingummi und ein Dentist

Hyperaktivität war ja noch nie so wirklich mein Ding. Auch wenn mein bisheriger Reiseverlauf etwas anderes vermuten ließ, habe ich schon immer alles etwas geruhsamer angehen lassen und mich wohl dabei gefühlt. So ist es jetzt auch im Spaanse Water, meiner Ankerbucht auf Curacao. Der Tag beginnt im Cockpit mit einem Becher Kakao und einer guten Stunde im Internet. Da lese ich dann die neusten Nachrichten aus Politik, Wirtschaft und Sport, informiere mich über die Wind- und Wettersituation der kommenden Tage und schmökere in den Internetreiseberichten anderer Segler. Mein momentaner Favorit dabei ist www.sawadi.info , Skipper Steffo läßt es deutlich ruhiger angehen als ich und liegt nach fünf Jahren Reisezeit nur noch rund 500 Meilen vorraus auf den San Blas Inseln vor Panama. Wenn dann die Lesestunde beendet ist, geht’s erstmal zum richtig wach werden ins Wasser und ich schwimme einige Runden um die Gioia. Im Unterschied zu Le Marin, wo ich jeden Liter Wasser per Dinghi mühsam im Kanister ranschaffen musste, kommt hier einmal in der Woche das Waterboat vorbei und liefert frisches Süßwasser, wie auf der ganzen Insel ist H2O nicht wirklich billig (ca. 0,06€ / Liter) aber bei einem Verbrauch von knapp 100 Litern in der Woche bringt mich die kurze, tägliche Heckdusche nicht an den Bettelstab. Wenn Einkäufe anstehen, geht’s um 10 Uhr mit dem Shuttlebus zum Supermarkt, dort hat man dann eine Stunde Zeit um alles zu besorgen und wird anschließend wieder direkt am Dinghianleger abgesetzt. Die hiesigen Supermärkte bieten europäischen Standard, man kann shoppen was das Herz begehrt. Da gibt es Gesundes wie Obst und Gemüse aber eben auch weniger Gesundes wie z.B. Weingummi und Lakritz. Da konnte ich natürlich nicht widerstehen und hab auch gleich den Preis bezahlen müssen. Ein herzhafter Biss ins Weingummi und es hat Knack gemacht. Das war es dann mit der Füllung meines Backenzahns. Aber auch die Zahnärzte bieten durchaus europäischen Standard und so hab ich mir gleich eine neue Kunststofffüllung verpassen lassen. Eine gute Stunde lag ich auf dem Stuhl und hab anschließend 199,- US $ bezahlen dürfen. Nun bin ich gespannt, wie ich diesen ersten Schadensfall mit meiner Auslandskrankenversicherung abgerechnet bekomme. Ich werde berichten. An den Nachmittagen bin ich entweder ein bisschen auf der Insel unterwegs, wobei das bisher gesehene nicht allzu spektakulär war oder verbringe die heißen Stunden mit einem Buch im beschatteten Cockpit. Ausgesprochen unterhaltsam und informativ war in den letzten Tagen „Der Sturz der Titanen“ von Ken Follett, eine Geschichte über die Ursachen und den Verlauf des ersten Weltkrieges. Tausend Seiten in vier Tagen – ich sag ja, ich laß es geruhsam angehen... Am Abend geht’s dann manchmal zum Seglerschnack auf ein Bier in die Hafenbar am Dinghianleger, wobei sich hier im Spaanse Water mal wieder deutlich zeigt, dass ich fürs Langfahrtsegeln ansich noch zu jung bin, der Altersdurchschnitt liegt doch deutlich jenseits der sechzig. An anderen Abenden guck ich nach dem Essen einen Spielfilm oder surfe ein wenig im Netz und gehe zeitig in die Koje. Seglers Midnight ist eben doch bereits um 21 Uhr. Statt des gewohnten, recht kräftigen Passatwindes war es in den vergangenen Tagen eher schwachwindig aus wechselnden Richtungen. Hinzu kamen recht kräftige nächtliche Niederschläge (an einem Morgen standen im Dinghi über 20cm Regenwasser!). Inzwischen normalisiert sich die Passatlage wieder und das ist auch gut so, denn der fehlende Wind ermöglichte es den nervigen Mücken an Bord zu kommen (keine Sorge, das ist nur lästig aber nicht gefährlich – Malaria gibt’s hier nicht) und die Niederschläge zwangen mich die Decksluken zu schließen, da wurde es dann richtig schön warm und stickig unter Deck, immerhin hat das umgebende Wasser hier 27° C. Diese Wetterlage ist ansich untypisch so früh im Jahr, ist sie doch normalerweise das, was Curacao von den weiter nördlich durchziehenden Hurricanes abbekommt. Auch wenn es kein Sturm war, so gab es auf Martinique sintflutartige Niederschläge und westliche Winde. Wie ich gehört habe, ist der schöne Strand von St. Anne kaum noch vorhanden und die Bucht von Le Marin voll von eingespültem Müll, Laub und treibenden Ästen. Man gut dass ich dort weg bin. Ansonsten gibt es nicht viel Neues zu berichten, ich ringe immer noch mit der Entscheidung wie es nun weiter geht, weiter nach Westen, noch schnell zurück in Richtung Azoren oder mit dem Flieger für einige Wochen in die Heimat? Jeden Morgen geht das Pendel in eine andere Richtung. Sobald sich dbzgl etwas tut, lass ich es euch hier wissen. Ach ja, moderne Zeiten. Neulich Abend war mein Internetzugang tatsächlich schnell genug um ein kostenloses Bildtelefonat via Skype in die Heimat zu führen, das ist doch wirklich Science Fiction oder? Da sitze ich in einer karibischen Ankerbucht und kann einem Freund in Hamburg den herrlichen Sonnenuntergang live mitverfolgen lassen. Soweit für heute, demnächst kommen auch mal wieder ein paar Fotos.

Freitag, 4. Mai 2012

Törnplanung light – Tipps vom Greenhorn

Auf besonderen Wunsch aus Kiel, hier noch ein paar Anmerkungen zur jahreszeitlichen Törnplanung. Seitdem ich die Leinen in Cuxhaven losgeworfen habe, hetze ich ja ein wenig der klassischen Törnplanung hinterher, denn normalerweise wird überall empfohlen deutlich früher im Jahr, also nicht erst Ende September, die nordeuropäischen Gewässer zu verlassen und sich in den Sommermonaten entlang der europäischen Küste gen Süden zu hangeln. Das macht auch sicherlich Sinn, denn ich habe es doch bedauert z.B. die wunderschöne Bretagne mehr oder minder links liegen gelassen zu haben. Wenn man dann nicht zu sehr bummelt, verläßt man im September den Heimatkontinent und steuert nach einem Stopp auf der Blumeninsel Madeira die Kanaren an. Dort angekommen hat man dann genug Zeit sich die sechs Inseln anzuschauen, besonders möchte ich dabei die westlichen Inseln empfehlen. Im Laufe des Dezembers geht es dann weiter, je früher man startet umso ratsamer ist es einen Abstecher zu den kapverdischen Inseln einzuplanen und man sollte sich nicht vom frühen Start der Veranstaltung für betreutes Segeln ARC Anfang Dezember täuschen lassen, denn die beste Zeit für eine Atlantikpassage beginnt mit dem Jahreswechsel. Die Gründe des frühen ARC Starts liegen eher darin begründet, dass die meisten Teilnehmer es begrüßen zum Weihnachtsfest wieder zu Hause zu sein. Will man halbwegs genug Zeit zum erkunden der Karibik haben sollte man die Atlantikpassage gleich zu Beginn des Jahres angehen, denn man tut gut daran, zumindest die nördlichen Teile der Karibik im Mai zu verlassen. Denn ab Anfang Juni drohen schwere Stürme, deren Ursprung im intensiven Sonnenschein auf dem Atlantik vor Westafrika begründet liegt. Auf vielen Inseln der Windwards gibt es halbwegs sichere Buchten, sogenannte Hurricaneholes, in denen man die Boote mit einem Spinnennetz aus Leinen an den am Ufer wachsenden Mangrovenbäumen vertäut. Allerdings sind diese sicheren Plätze begehrt und man sollte sich rechtzeitig um einen Platz kümmern, sonst kann es passieren, dass sich ein Sturm ankündigt und einem nur die Flucht nach Süden bleibt, weil die sicheren Plätze bereits belegt sind. Ein Teil der Segler begiebt sich daher im April oder Mai auf den Rückweg und steuert über die Azoren wieder Europa an. Andere verdrücken sich nach Süden, z.B. nach Tobago, die Südamerikanische Nordküste (wobei man sehr viel schlechtes über Venezuela hört, Piraterie, Korruption, viel Dreck und Müll – wahrscheinlich ist man zumindest momentan gut beraten dieses ansich wohl wunderschöne Land auszulassen) oder die ABC Inseln. Steht der Pazifik auf dem Plan kommt schon das nächste tropische Sturmsystem, die pazifischen Cyclone ins Spiel. Denn auf dem Weg nach Polynesien überquert man den Äquator und auf der Südhalbkugel gehen die Uhren bekanntlich anders (ob das Wasser tatsächlich andersherum in den Abfluss des Waschbeckens strudelt und vor allem was genau auf dem Äquator passiert werde ich dann berichten). Die tropischen Stürme der Südhalbkugel drohen im dortigen Sommer, also ungefähr in der Zeit von November bis März. Will man also die südpazifische Inselwelt ausgiebig besegeln tut man gut daran im März oder April den Panamakanal zu durchqueren und sich wiederum auf den Weg nach Westen zu machen. Nach einigen Monaten im Paradies muß man sich dann rechtzeitig vor der Cyclonsaison entscheiden. Wird die Zeit oder das Budget in Polynesien knapp, kann man auch dem logischen Weg von Bernard Moitessier folgen, im letzten Blogbeitrag habe ich ja schon davon berichtet. Entscheidet man sich also für eine schnelle Heimkehr nach Europa (bei Moitessier war es die Sehnsucht nach den Kindern daheim), biegt man quasi in der Südsee links ab und steuert den Bereich der stetigen Westwinde ganz im Süden unseres Planeten an. Um dann das Kap Horn bei halbwegs passablen Bedingungen passieren zu können tut man gut daran, den Start so zu legen, dass man die Südspitze Feuerlands im südlichen Hochsommer (Dezember/Januar) umsegelt. Anschliessend braucht man nur noch im weiten Bogen bis kurz vor Afrika und dann nach Norden zu steuern. Wahlweise bieten sich dann Brasilien, die Karibik, die Kapverden oder auch die Kanaren als Zwischenstopps auf dem Weg nach Europa an. Plant man die Circumnavigation zu vollenden steuert man z.B. Neuseeland oder Australien an. Viele legen dort eine Weihnachtspause ein, fliegen nach Hause oder bereisen diese tollen Länder für einige Monate mit einem Wohnmobil. Anschliessend geht’s dann um Nordaustralien herum in den Indischen Ozean. Dort wählen dann viele Segler die südliche Route über Mauritius nach Südafrika. Die nördliche und sicherlich interessantere Route über Thailand und Indien zur Arabischen Halbinsel ist leider seit einigen Jahren aufgrund der misslichen Situation in Somalia und der daraus resultierenden Piratengefahr ansich nicht mehr praktikabel. Ein gutes, wenn auch etwas unübersichtliches Nachschlagewerk zu diesem Thema ist „Segelrouten der Welt“ von Jimmy Cornell.

Donnerstag, 3. Mai 2012

Point of no Return – jetzt muss ich mich wohl entscheiden

Die Tage vergehen mal wieder wie im Flug. Selbst Kleinigkeiten halten mich einen halben Tag auf Trab. Busverbindungen sind zwar vorhanden aber nicht immer zuverlässig, ist der Busfahrer mal in Eile, läßt er auch mal einen Teil der Route aus und nimmt eine Abkürzung. Als ahnungsloser Tourist wartet man dann vergeblich an der Bushaltestelle bzw. sitzt bis zur Endstation im stickigen Bus, nur um anschließend die gleiche Strecke wieder retour zu fahren. Besonders ärgerlich ist soetwas, wenn man nach einem Supermarktbesuch mit einem Rucksack voller Obst, Yogurt und Aufschnitt dann in der prallen Sonne warten muss und den Lebensmitteln beim Vergammeln fast schon zuhören kann. Aber immerhin gibt es Busverbindungen und manchmal sogar kostenlose Shuttlebusse zum Supermarkt. Gestern konnte ich nun endlich mit dem Chef des Seaquariums sprechen, ich hatte ja ein wenig die Hoffnung dort einen kleinen Job zu bekommen, insbesondere weil die einzelnen Aquarien dringend etwas Zuwendung gebraucht hätten. Allerdings zeigte sich im Gespräch, dass der Zustand der Aquarien die Interessenlage des Inhaber recht gut wiederspiegeln. Sein Augenmerk liegt inzwischen auf seinem Uboot und seinem Forschungsschiff, die Aquarien laufen nur noch so nebenbei und werden ohne große Sachkenntniss betreut und leider besteht wohl auch kein Interesse daran etwas zu ändern. Am vergangenen Wochenende konnte ich Matthias (dem hier auf Curacao als Delphintherapeut arbeitenden Bruder meines Freundes Martin) ein bisschen beim Anbau eines Vordaches an sein Haus helfen, zwei Tage haben wir zusammen mit drei weiteren Freunden gesägt, gebohrt und geschraubt und konnten am Sonntagabend auf einer richtig schicken Veranda unseren Sundowner trinken. Richtig viel Spaß hat es gemacht mal wieder an etwas anderem als der Gioia zu basteln. Aber auch mein schwimmender Untersatz kommt nicht zu kurz. Inzwischen habe ich abermals ein neues Display für den Autopiloten eingebaut, allerdings nicht ohne vorher die zu langen Schrauben zu kürzen. Denn die hatten mir in den vergangenen Wochen all die Probleme bereitet (durch ihre Überlänge haben sie von hinten das Displaygehäuse geknackt und so der salzigen Feuchtigkeit Zugang zur Elektronik verschafft – diese hat das natürlich umgehend mit Korrosion und letztendlich einem Kurzschluss quittiert). Auch habe ich endlich mal das Schaltgestänge an der Steuersäule ordentlich geschmiert, allerdings ist mir dabei eine der Schrauben des Schaltgehäuses abgerissen und wieder wurde aus einer Kleinigkeit eine fast tagesfüllende Beschäftigung. Jetzt warte ich noch auf eine Rückmeldung des örtlichen Riggers, ich hoffe, dass er mir mit einigen Teilen für meinen Spibaum weiterhelfen kann. Für heute habe ich mir vorgenommen die Bremse meiner Ankerwinsch wieder gangbar zu bekommen und dann fehlt eigentlich nur noch ein Päckchen aus Fehmarn mit dem neuen Steuergerät für meine Heizung um die Gioia wieder 100% für die nächsten Etappen vorbereitet zu haben. Damit wären wir dann auch beim Titel dieses Berichtes. Hier auf Curacao, nur noch gute 500 Meilen vom Panamakanal entfernt, wird mir nun besonders bewußt, dass ich nun eine Entscheidung treffen muß. Bisher habe ich ja versucht nicht allzu viele Pläne zu schmieden und bin einfach drauf los gesegelt. Nehme ich jetzt aber den Kanal in Angriff und wechsel damit vom Atlantik zum Pazifik ist mir der schnelle Rückweg nach Europa erstmal verbaut. Von Curacao aus könnte ich noch recht bequem Kurs Nord einschlagen und dann irgendwann in Richtung Osten die Azoren ansteuern. Bin ich aber erstmal auf dem Pazifik lägen viele tausend Meilen westwärts vor mir und als Alternative bliebe nur der große Bogen ums Kap Horn zurück in den Atlantik. Eine Route die schon der große Bernard Moitessier als den logischen Weg beschrieben hat. Ich gebe aber gerne und offen zu, dass ich sowohl vor der langen Route gen Westen als auch vor dem Weg ums Kap Horn gehörigen Respekt habe. So sitze ich nun häufig im Cockpit, blättere in meinen Büchern, messe die Distanzen auf den Seekarten und rechne mit spitzer Feder im Kassenbuch der Gioia. Denn leider ist mein Budget in den letzten Monaten schneller geschrumpft als gedacht und somit werden nicht nur Jahreszeiten und Entfernungen sondern auch ganz profane finanzielle Fragen limitierende Faktoren zur weiteren Törnplanung. Die Lebenshaltungskosten halten sich zwar sehr in Grenzen, große Restaurant- und Barbesuche habe ich mir ja schon lange abgewöhnt und die paar Nudeln und Karotten die ich zum Leben brauche, sind kaum der Rede wert, aber die anfallenden Kleinigkeiten zur Bootsinstandhaltung summieren sich inzwischen doch schon ganz ordentlich. Verzichte ich aber auf den Pazifik, muss ich mich richtig sputen, denn mit jedem Tag drohen nun vermehrt Hurricanstürme in der östlichen Karibik Letztlich denke ich, dass ich mich der Herausvorderung des Pazifiks stelle und nach der Passage des Panamakanals direkt die Marquesas ansteuere, dort kann ich dann immernoch entscheiden ob es weiter gen Westen oder rund ums Horn zurück geht.