Sonntag, 30. Oktober 2011

Biskaya

Camaret-sur-Mer nach La Coruna
27.10.2011 bis 29.10.2011
Ein bisschen mulmig war mir ja schon zumute als es am Donnerstag um halb neun dann tatsächlich los ging. Vor mir lag die Biskaya, jene verrufene Atlantikbucht zwischen Frankreich und Spanien bei deren bloßen Namensnennung dem durchschnittlichen Ostseesegler schon die Ohren schlackern, mich selber will ich da garnicht ausnehmen. Ich hatte zwar, bei meiner Teilnahme an der Mini-Fastnet-Regatta 2006 schon einmal das Vergnügen hier zu segeln, allerdings war das im Juni und jetzt haben wir Oktober, Ende Oktober. Da drohen die fürchterlichsten Herbststürme, haushohe, chaotisch brechende Wellen und überhaupt der tagtägliche Weltuntergang.
Bei mir ging es aber erstmal ganz sutsche los, um sechs aufgestanden, erstmal meinen Kakao schlürfen, die aktuellen Wetterinformationen checken, mich selbst und die Gioia vorbereiten. Während dessen verliessen schon zwei belgische Boote den Hafen, allerdings in die andere Richtung nach le Havre zum Start der Transat Jaques Vabre.
Ich selbst liess mir Zeit, Tide hin oder her, bis die Sonne aufgegangen war und schmiss erst dann die Leinen los. Ich muss gestehen, dass mein Schlafrhythmus sich bereits deutlich verstellt hat und so war ich doch erstaunt, dass die Sonne inzwischen auch unter die Langschläfer gegangen ist – es ist eben schon Herbst. Und ich habe mir die Biskaya vorgenommen, einhand.
Wie bestellt, hörte es punktlich zum Auslaufen auf zu regnen und sogar die Sonne guckte zwischen den Wolken kurz hervor.
Vorm Hafen habe ich dann das Groß gesetzt und die Genua ausgerollt, hatte aber kaum genug Wind um voran zu kommen. Gerade waren die Segel oben, bemerkte ich, dass ich vergessen hatte das Pendelruder meiner Aries-Windsteueranlage abzuklappen. Kurz darauf hing ich angeleint hinterm Heckkorb und versuchte vergeblich dies nachzuholen. So einfach wie im Prospekt „schnell den Bootshaken zur Hand, das Pendelruder runter drücken und den Feststellbügel anziehen“ ist es beileibe nicht. Da musste ich an mein langes Telefonat mit Peter Förthmann, dem Hersteller des Alternativproduktes „Windpilot“ denken, genau diese Situation hat er mir beschrieben und er hatte Recht, sind die Segel erstmal oben, ist es für mich praktisch unmöglich das Ariespendelruder korrekt abzuklappen. Irgendwie habe ich es dann zumindest halbwegs hinbekommen und so gings unter Vollzeug und mit der Aries aus der Bucht von Brest heraus.
Die ruhigen Bedingungen nutzend, wollte ich mir dann erstmal ein ordentliches Frühstück bereiten, die Brötchen waren schon im Ofen, die Eier gequirlt und dann war das Gas alle. Naja, ärgerlich, dann muss ich eben die zweite Gasflasche anschliessen. Pustekuchen, auch die war leer. Na super, statt lukullischem Zeitvertreib und Gaumenfreuden, jetzt drei Tage Dosenbrot, Nüsse und Schokolade.
Exakt wie angekündigt, wehte es zunächst eher schwach aus Süd, kaum erreichte ich aber das freie Wasser, drehte der Wind auf NNE und frischte erheblich auf. Schnell erreichte die Windanzeige die 20kn Marke und Gioias Fußreling zog regelmäßig durchs Wasser. Also Genua wieder eingerollt und zunächst nur unter Groß weiter, die Gioia lief beständig um die acht Knoten, Wind und Welle nahmen weiter zu. Nur unter Groß stimmte zwar die Geschwindigkeit aber die Gioia fuhr einfach nicht ausgeglichen. Also raus aus dem Cockpit, angeleint und vorsorglich zwei Reffs ins Gross einbinden und die Fock gesetzt. Dabei stand ich dann schonmal bis zu den Schienenbeinen in grünem Wasser an Deck.
Deutlich ausbalancierter nahmen wir nun den Tanz mit den Biskayawellen auf, und die wurden, einhergehend mit dem zunehmenden Wind immer mächtiger.
Schon gegen Mittag wehte es mit beständig über 25kn, in Boeen auch gerne mal 30kn und selbst im Cockpit erreichte mich die eine oder andere Dusche.
Das war dann der Zeitpunkt, an dem sich zeigte, dass ich das Pendelruder der Aries nicht richtig zum einrasten gebracht hatte. Plötzlich machte es klack und das Ruder stand im 90°Winkel vom Spiegel ab. Zum Glück war ich gerade selbst hinterm Rad, so dass Gioia nicht aus dem Ruder gelaufen ist. Die Bemühungen das Ruder wieder zu fixieren waren bei diesen Bedingungen zwecklos und mir auch zu gefährlich, also plätscherte das Servoruder die nächsten 20 Stunden fast wie eine Gummiente hinter uns her.
Im Laufe des Nachmittags legte der Wind weiter zu und es wurde wirklich beeindrucken, fast schon angsteinflößend. Die Wellen türmten sich auf bestimmt fünf Meter auf, brachen im freien Wasser und der Wind riss die Gischt von den Kämmen. Zwei- oder dreimal brach so eine Welle dann auch ins Cockpit, der Wind heulte mit 30/35kn durch die Wanten, in Spitzen sogar mit 40kn.
Gut, dass ich den Niedergang schon vorher dicht gemacht hatte und in vollem Ölzeug, doppelt angeleint hinterm Ruder stand. Es brauchte seine Zeit bis ich dem elektrischen Autopiloten soweit vertraute, dass ich mich unter Deck trocken legen konnte.
Als wir dann gegen 23 Uhr die Kontinentalschelfkante erreichten und plötzlich 4500m Wasser unter dem Kiel hatten, entspannte sich die Lage umgehend. Die Wellen würden länger und brachen nicht mehr und der Wind ließ langsam auch weiter nach.
Abgesehen von zwei Störungen durch unseren Kurs kreuzende Dickschiffe (mit einem habe ich sogar kurz über UKW Verbindung aufgenommen) konnte ich auch die Nacht über im halbstunden Rhythmus schlafen, was erstaunlich gut funktionierte.


Mit dem aufziehenden Tag hatte der Wind sich dann auch ausgeblasen und im Morgengrauen wechselte ich von der Fock auf die Genua und schüttelte die beiden Reffs aus dem Groß.
Aber auch das reichte nicht lange, schon bald drückte die Dühnung jedes Profil aus den Segeln und selbst der Bullenstander konnte das Groß nicht bändigen.
Entgegen meiner grundsätzlichen Vorstellungen vom Langstreckensegeln brachte ich dann den Keilriehmenkiller zu Einsatz, schließlich wollte ich nicht mitten in der Biskaya auf das nächste Tiefdruckgebiet warten.
Man könnte meinen, mein Motor wäre kein Nanni Diesel sondern ein VW Käfer – denn er lief und lief und lief...
Den ganzen Freitag herrschte Totenflaute, so aufgewühlt und von Gischtstreifen durchzogen das Wasser gestern noch war, so glatt und friedlich lag es, abgesehen von der langsam rollenden Atlantikdühnung jetzt da.
Nicht nur das Wetter war ruhig, kein einziges Schiff ist mir am Freitag begegnet.
Zeitweilig schien die Sonne, zeitweilig war es leicht bewölkt. Ich habe lange im Cockpit gelesen, dann ein Schläfchen bei offener Luke im Vorschiff gemacht, ein Video angeschaut und mir sonstwie die Zeit vertrieben. Wie der Tag begonnen hat ging er auch zu Ende, ein laues Lüftchen von 1-2Bft aus östlichen Richtung erforderte rund um die Uhr die eiserne Genua, dafür erlaubte die Situation ein Schlafintervall von immerhin 60 Minuten.
Die Nacht brachte wieder einen klaren Sternenhimmel mit vielen Sternschnuppen – langsam gehen mir die Wünsche aus.
Auch der Samstag brachte keinen Wind, so dass der Motor mich bis nach La Coruna bringen musste. Abwechslung brachte nur das spanische Begrüßungskomitee in den frühen Morgenstunden, plötzlich brodelte das Wasser steuerbord voraus und dann waren sie wieder da, mindestens zwanzig Delphine umrundeten die Gioia, schwammen auf der Seite um mich besser sehen zu können, machten sich einen Spaß daraus mir ihren nassen Atem ins Gesicht zu blasen und drängelten sich in der Bugwelle.



Die hohe Küste Galiziens war schon aus bestimmt 50 Meilen Entfernung zu sehen, dadurch erschienen die letzten Stunden doch recht lang.
Erst kurz vor La Coruna gab es wieder Schiffsverkehr, ansonsten hätte ich auch die letzten 48h durchschlafen können. Macht man natürlich trotzdem nicht. Es ist schon komisch, in der Phase bevor ich wirklich einschlafe, sehe ich ganz realistisch riesige Schiffe an mir vorbeiziehen, haushohe Stahlrümpfe direkt vor der Gioia aufragen oder ganze Fischerflotten auf mich zuhalten.
Schon irre, was für Späße das Unterbewusstsein mit einem Einhandsegler treibt.



In La Coruna angekommen, zog es mich erstmal dringend unter die, hier in der Marina wirklich hervorragenden Duschen und anschließend gings es noch kurz in die Stadt, mal wieder was warmes essen. Beeindruckend wie brodelnd lebendig es hier zugeht. Menschenmassen auf den Straßen, lautes Stimmengewirr und hunderte Fußball spielende Kinder überall.
Selbstverständlich stehen hier Meeresfrüchte ganz oben auf den Speisekarten, auf allen Speisekarten, Tintenfisch, Muscheln und Garnelen wo man auch hin schaut.
Für mich gab es dann nur ein paar Tapas oder besser Raciones, die heiß begehrten Datteln im Speckmantel und Bohnen mit Speck konnte ich allerdings noch nicht ausfindig machen.
So wie es aussieht, werde ich wohl einige Tage hier bleiben und auf mal wieder auf passende Winde warten müssen. Anscheinend soll sich der Donnerstag bei mir zum Abreisetag entwickeln. Donnerstag ab Kiel, Donnerstag ab Cherbourg, Donnerstag ab Camaret und nun sieht es so aus als ob mir der SW Wind bis Donnerstag den Weg ums Kap Finisterre versperren würde.

Samstag, 29. Oktober 2011

Angekommen

Bin gut in La Coruna angekommen. Nach anfänglich sehr viel Wind wars Freitag und Samstag dann sehr wenig.
Jetzt duschen und was essen, später mehr an dieser Stelle.

Freitag, 28. Oktober 2011

Via Inmarsat:

Biskaya via satphone.gestern starkwind heute flaute.gioia&c
wohlauf.wunderschoen.eta la coruna sa abend.dank an t wg sms

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Sent via Inmarsat. The mobile satellite company

Mittwoch, 26. Oktober 2011

Der letzte Tag in Camaret sur Mer?


26.10.2011

Es ist zum Haareraufen mit den Wettervorhersagen, umso mehr Informationen man einholt, desto unsicherer wird man. Zur langen Liste der Internetvorhersagen kam heute auch noch ein heißer Draht zum DWD und das war dann auch wieder anders als die eh schon unterschiedlichen vorhandenen Aussichten.
Nachdem gerade ein britischer Stegnachbar mit seiner Swan ausgelaufen ist, kam ich kurz ins Grübeln, soll ich auch los? Ansich hätte es gepasst, hab heute schon gut gegessen, ausgiebig Mittagsschlaf gehalten, die Gioia ist startklar und der Wind weht leicht aus SO.
Aber nix überstürzen, lieber nochmal ausgiebig die Vorhersagen studieren, duschen, ein paar Emails schreiben, den Blog aktualisieren und dann morgen im Morgengrauen los.
So wie es jetzt aussieht habe ich dann für die ersten Stunden recht kräftige, raume Winde und werde mich auf der Schelfkante wohl etwas durchschütteln lassen, anschließend wird’s dann aber ruhiger bis sehr ruhig und so wird wohl auch mein Keilriemenkiller zum Einsatz kommen.
Bevor am Montag wieder kräftige Gegenwinde angekündigt sind, sollte ich dann schon lange einen sicheren Unterschlupf auf der iberischen Halbinsel gefunden haben.
Mein Minimalziel ist La Coruna, obwohl ich schon gerne das Kap Finisterre hinter mir lassen würde. Zwei Buchten hinterm Kap ist mir ein Hafen empfohlen worden, Porto Queixal.
Maximalziel wäre es Portugal zu erreichen, speziell Porto.
Aber so sehr es mich auch nach Lagos an der Algarve zieht, denn dort scheint nicht nur die Sonne, sondern dort liegt auch Freund Krischan mit seiner wachsenden Familie – gerade im Moment ist er dort wohl im Kreissaal, hält seiner Bine die Hand und wird Vater, nachdem ihnen vorgestern noch der VW-Bus geklaut wurde (immerhin waren die Schufte so nett und haben einen Rucksack mit Papieren, Kindersachen etc gepackt und im Hafen abgestellt).
So sehr es mich also gen Süden zieht, ich werde wohl sehr zufrieden sein wenn ich Queixal erreicht habe.
Jetzt geht’s schnell nochmal duschen, dann mache ich mir noch eine Bananenmilch, knacke ein paar französische Haselnüsse, trinke meinen Abendtee, schaue mir ein Video an und schon geht’s ab in die Koje.
Auf die nächsten acht Stunden Schlaf am Stück werde ich dann ein wenig warten müssen.
Mehr dann in einigen Tagen aus Spanien.

Dienstag, 25. Oktober 2011

Hausmeisterdasein

Schon jetzt merke ich, dass der Segelpabst i.R., Bobby Schenk, doch tatsächlich auch mal etwas Realistisches geschrieben hat. Irgendwo habe ich von ihm mal gelesen, dass man als Langzeitsegler hauptberuflicher Hausmeister auf dem eigenen Boot ist und nur an den Wochenenden bzw. im Urlaub wirklich segelt.
Heute habe ich mich lange mit der ausgerauschten Reffleine beschäftigen müssen, sie hat mich fast in den Wahnsinn getrieben. Erst nachdem ich den Baumkicker demontiert, die Baumnock auf den Steg gefiert, eine Taschenlampe auf eine Segellatte getaped und eine weitere Segellatte mit einem Drahthaken versehen hatte, habe ich das blöde Bändsel wieder durchgezogen bekommen. Gute vier Stunden hat mich das gekostet, kaum zu glauben. Anschließend bin ich noch kurz zur ersten Saling aufgeentert und habe die Steuerbord Flaggenleine wieder eingefädelt. Den Nachmittag habe ich dann den verstopften Backskistenlenzern gewidmet und so hoffentlich die Bilge nachhaltig trocken gelegt.
Weil die Backskiste gerade leer war, habe ich dann auch noch die neue LED Beleuchtuung und den neuen Feuerlöscher montiert. Zum Abschluss den Arbeitstags gabs dann noch einen zusätzlichen Kabelbinder für die Mastmanschette.
Zwischendurch natürlich immer mal wieder die Wetterseiten im www konsultiert, ich gebe ja gerne zu, dass mir die bevorstehende Biskayaquerung ein bisschen auf der Seele liegt.
Am Donnerstag besteht wohl eine gute Möglichkeit, allerdings hätte ich da Anfangs auch gute 30kn Wind aber immerhin von hinten, vermutlich würde ich mich zu dem Zeitpunkt aber noch über dem Kontinentalschelf befinden und genau den soll man ja bei viel Wind meiden. Schwierig, schwierig...
Irgendwie erinnert es mich momentan an den Dezember ´09 in Gibraltar, eine lange Seestrecke vor mir und täglich diverse Wetterberichte aus dem Netz, einer von den sieht immer irgendwo unangenehme Windstärken. Was waren das für einfach Zeiten als nur, wenn überhaupt, eine Vorhersage zur Verfügung stand.
Falls ich mich gegen einen Start am Donnerstag (oder vielleicht doch schon Mittwoch Abend) entscheide, hätte ich zumindest die Chance eine Menge interessanter Hochseeracer auf der Biskaya zu treffen. Am Sonntag startet in Le Havre wieder die Transat Jaques Vabre mit einem großen Teilnehmerfeld. Open 60, 50 Fuss Trimarane und die „kleinen“ Class 40 würden wohl ziemlich an mir vorbei fetzen (und wahrscheinlich den Schlaf rauben).
Hier der Link zur Veranstaltung:
http://www.transat-jacques-vabre.com/

Am Abend ging´s dann in die Pantry, Kartoffelsuppe mit extra viel Würstchen (mussten weg) und Obstsalat.
Das Wetter war heute deutlich schöner als gestern (Dauerregen), den Großteil des Tages war ich im T-Shirt an Deck zu Gange und erst gegen Abend zogen zwei oder drei Schauer durch.

Montag, 24. Oktober 2011

See(len)freude

Wenn ich meine letzten Posts nochmal lese, merke ich das ein ganz entscheidener Aspekt deutlich zu kurz kommt.
Es ist aber auch sehr schwierig zu beschreiben, was mir durch den Kopf geht, wenn ich Nachts im Cockpit liege und in den unglaublichen Sternenhimmel schaue und Sternschnuppen zähle oder welche Ruhe von den letzten Stunden eines Tages ausgehen wenn die Sonne langsam hinterm Horizont verschwindet und den Himmel in alle Rottöne taucht. Ebenso schon und emotional der langersehnte Sonnenaufgang, immer wieder der Blick nach Osten und auf die Uhr und dann, ganz plötzlich hellt sich der Himmel auf... Ein weiteres Beispiel, die Delphine die mich am Samstagmorgen begrüßten.
Es ist einfach toll zunächst nur dieses Prusten zu hören, dann der Blick ins dunkle Wasser und dann sind sie da, mehrere Dutzend der grau-weißen Außenbordsgesellen spielen lange und ausgiebig im Wellensystem der Gioia, immerwieder habe ich den Eindruck, dass sie mich direkt angucken und einschätzen.
In einem bin ich mir sicher, die Jungs kommen nicht nur aus tierischem Instinkt weil sie etwa die Strömungen am Rumpf zur Jagd nutzen wollen, da steckt mehr dahinter, sie suchen den Kontakt, sind neugierig und verspielt. Sie zu beobachten geht ganz, ganz tief...

Sonntag, 23. Oktober 2011

Richtung Bretagne


Zweite Etappe von Cherbourg über Guernsey nach Camaret/Brest, 21./ 22.10.2011
Nachdem Olli von Bord war habe ich mich erstmal neu eingerichtet, es sind ja nun die ersten Tage an denen ich in meinem neuen Zuhause alleine wohne. Also Sachen sortiert, umgestaut, abgewaschen (vor allem ein Teil meines Feinschmecker Proviants, der Einweckgläser waren leider schlecht geworden und stanken erbärmlich, vor allem Hack, Rindergeschnetzeltes und Hühnerbrust scheinen nicht wirklich zum Einkochen geeignet zu sein, die Ausfallquote lag bei fast 100%. Die restlichen Gläser mit Rindsrouladen, Gulasch, Suppen schmecken aber hervorragend – ein großes Dankeschön nochmal an Herrn Drews aus Hechthausen.
Aber nicht nur unter Deck gab es einiges zu tun, auch an Deck. So habe ich einige kleine Leckstellen an den Decksdurchführung der Stagen und Wanten neu abgedichtet, die Befestigung der Solarpanele optimiert und den Keilriemen getauscht. Mein Motor heißt ab jetzt Keilriemenkiller, deren starke Abnutzung ist aber auch kein Wunder, schließlich muss die Lichtmaschine mit Hochleistungsregler beim Laden der Batterien eine Menge leisten.
Am Donnerstag Abend habe ich dann noch letzte Wetterberichte eingeholt und ausgiebig den Reeds studiert, der Reeds ist die englische Seglerbibel, darin ist einfach alles zu finden, Hafenpläne, Strömungskarten, Tidenkalender.
Am Freitag mit dem allerersten Tageslicht gings dann auf meinen ersten Einhandtörn mit der Gioia.
Allerdings wehte es zunächst nicht wie angekündigt aus SO sondern aus SW, was mich etwas beunruhigte, lag mein Ziel doch in eben dieser Richtung.
Zunächst ging es aber Richtung WNW und so konnte ich die Gioia mit einem Schrick in den Schoten richtig laufen lassen. Vorbei an der Wiederaufbereitungsanlage La Hague ging es zum gleichnamigen Kap. Dort begann auch der Wind langsam zu drehen und so konnte ich die Kanalinsel Guernsey mit nur wenigen Kreuzschlägen erreichen. Gezeiten ansich sind ja für den gemeinen Ostseesegler schon etwas unheimliges, kommen dann aber noch geografische Besonderheiten dazu wird es ungemütlich. Die Wellen werden kürzer und höher, kommen aus allen Richtungen gleichzeitig und der Kompasskurs entfernt sich zusehends vom Kurs über Grund.
Im Nachhinein war es aber dennoch kein Problem die Gioia sicher an die Bunkerpier von St. Peters Port zu bringen. Mit 250 Litern frischem Diesel im Tank und sämtlichen Bargelds beraubt (irgendwie verstand sich die Kartenstation der Tankstelle nicht mit meinen Kreditkarten) ging es schon eine gute Stunde später wieder raus. Es ist schade, an so vielen schönen Ecken einfach vorbei zu fahren aber der drohende Herbst gebietet einfach jede Minute passenden Windes zu nutzen und so bleibt mir nur, mir fest vorzunehmen auf dem Rückweg hier mehr Zeit einzuplanen.


Die von der untergehenden Sonne herrlich beleuchtete Kanalinsel im Rücken ging es in die erste Nacht. Halbwinds unter Genua und vollem Groß rauschten wir mit 7-9 Knoten durch die Dunkelheit und ich machte mir erstmal was zu Essen: Rinderroularde mit Nudeln. Hervorragend.
Eine wichtige Regel beim Einhand-Langstreckensegeln lautet: Schlaf wenn du kannst!
So hatte ich es auch geplant. Radaralarm auf 10 Meilen eingestellt, den AIS Alarm aktiviert.
Dumm nur, dass von hinten der 20m Segler Blue Marlin aufkam und es wohl auf eine Regatta abgesehen hatte, zumindest kam er nicht nur (sehr) langsam näher sondern hielt auch noch genau auf mein Heck zu. Radar und AIS konnten ja nicht wissen, dass vermutlich nur sportlicher Ehrgeiz dahinter steckte und piepten munter drauf los. Somit erreichte ich die von mir im Wecker eingestellten 25 Minuten nicht ein einziges Mal. Stunden später zwang mich die Blue Marlin dann sogar dauerhaft ins Cockpit. Es war wohl die Neugierde die sie so dicht an mich heran geführt hatte, in nur 150m Entfernung passierte sie mich schliesslich ohne vorher auf meine Funksprüche reagiert zu haben (ich wollte ja nur hören, dass sie mich im Blick haben, um so beruhigt ein Nickerchen machen zu können). Kaum war die Regatta vorbei, da zog es auch schon die bretonischen Fischer aus ihren Häfen und wieder hatten AIS und Radar allen Grund zum tröten.
Kurz vor der Dämmerung folgte dann noch ein Funkplausch mit einer netten Dame der französischen Küstenwache, die nur mal hören wollte wer dort durch die Nacht rauschte.
Vorher hatte ich schon gehört, dass sie auch die Blue Marlin gerufen hatte, ebenso erfolglos wie ich zuvor. Apropos Küstenwache. Die nehmen ihre Aufgabe hier sehr genau, schon in Cherbourg hatte ich ein kleines, freundliches Rollkommando an Bord. Waffen, Drogen, Tiere, Ausgangshafen, Zielhafen, Personen an Bord? Klar, die Dokumente wollten ausgefüllt werden aber vielmehr interessierte sie das Boot und meine Reise. Ich frag mich nur wo all diese gesammelten Daten bleiben und ob jemals wieder jemand einen Blick darauf werfen wird.
Im Morgengrauen näherte ich mich dann auch langsam der NW Spitze der Bretagne und der Ile Quessant (oder Ushant, wie die Engländer sagen) und wurde auch gleich von einer großen Horde Delphinen begrüßt, die munter in der Bugwelle der Gioia umherschossen. Aber wie so häufig sollte das letzte Stück eines Törns das härteste werden. Die Passage zwischen Quessant und dem Festland ist mit Felsen gespickt, das Kap lässt den Wind stärker werden, die Tide lässt das Wasser nur so kochen, eine Stunde lang konnte ich die Gioia nur mit Schwerstarbeit am Ruder auf Kurs halten.


Und kaum lag die Passage hinter mir, zeigte die Biskaya ihre Krallen.
Die kräftigen SO Winde zwangen mich hart an den Wind, ansich hätte ich auf die Fock wechseln müssen aber für die 10 Meilen bis ich in die Bucht von Brest abbiegen konnte fehlte mir dafür der Antrieb. So versuchte ich es zunächst mit leicht gereffter Genua aber die recht ordentlichen Wellen schlugen immer wieder ins Unterliek. Also nahm ich die Segel ganz weg und motorte bis zur Wendemarke. Dort rollte ich die Genua wieder aus und segelte die letzten 15 Meilen bis Camaret in der Bucht von Brest im Ostseerentnerstil.
Das Anlegemanöver lief leider nur suboptimal, der Weg zum angepeilten Liegeplatz wurde mir von einem auslaufenden Segelboot versperrt, so musste ich an den nächsten, noch engeren Steg ausweichen und dort drehen. Der starke Schraubeneffekt gestaltet solche Manöver mit der Gioia auf engen Raum recht kompliziert und der inzwischen mit sicherlich sechs Beaufort wehende Seitenwind tat noch das seinige dazu.
Elegant war dieser Anleger sicherlich nicht aber letztlich zählt ja das Ergebnis, ich liege ohne Schäden am Steg, werde jetzt zwar, anders als ursprünglich geplant vom Wind auf den Steg gedrückt aber dafür gibt es ja Fender. Übung macht ja bekanntlich Meister..
Hier in Camaret werde ich nun wohl einige Tage auf passende Winde für meine Biskayaquerung warten müssen, wie es scheint ist es nicht der schlechteste Ort dafür.
Der Reeds (Seglerbibel) war in der Beschreibung der Sanitäranlagen nicht ganz eindeutig, dort stand: Underground! Zum Glück war damit nicht der Zustand sondern tatsächlich die Lage gemeint, die Duschen befinden sich unterhalb eines historischen Gemäuers.
Auch nach elf Stunden Tiefschlaf war ich heute früh noch ganz schön gerädert, langsam erhole ich mich und werde gleich mal einen Gang in den Ort machen.

Samstag, 22. Oktober 2011

Generalprobe verpatzt – Premiere ein voller Erfolg! Erste Etappe Fehmarn-Cherbourg, 12.10. bis 19.10.2011




Ansich sollte es ja schon Anfang September los gehen, ging es auch – allerdings nicht allzu weit.
Auf der Elbe kurz vor Cuxhaven besaß eine kleine, zierliche Fahrwassertonne die Frechheit sich uns in den Weg zu stellen. Gut, das Vorschiff sah eher aus wie der Lagerboden eines Segelmachers, es war Nacht und die Tonne war nur zu 50% der Zeit beleuchtet aber dennoch hat es ganz schön gekracht. Mit 10kn rammt man ja auch keine stählernen Hindernisse.
Immerhin konnte die Gioia so ihre Stabilität unter Beweis stellen.
Auch wenn es nicht ohne Schäden von statten ging, Gefahr fürs Boot oder gar die Crew bestand zu keinem Zeitpunkt. Etwas vermessen könnte ich jetzt behaupten, auch vor Eisbergen und Korallenriffen keine Angst mehr zu haben.
Am Morgen nach dem Crash entschieden wir, die Gioia direkt zurück nach Fehmarn zu bringen um dort die Reparatur vorzunehmen. Aus der dafür veranschlagten einen Woche wurden schließlich ganze sechs und meine Sorgen, dem nordeuropäischen Herbst nicht mehr entkommen zu können wuchsen von Tag zu Tag.
Zumindest konnte ich die Wartezeit nutzen um die Gioia weiter vorzubereiten, die Segel nocheinmal ändern zu lassen und einige Tiefdruckgebiete auszusitzen.
Pünktlich zur Fertigstellung zeigte sich Petrus dann auch großzügig und es öffnete sich ein Wetterfenster für die Querung der Nordsee und des engl. Kanals.
Am Montag, dem 10.10. wurde nochmal der Proviant aufgefüllt, am Dienstag haben wir die Gioia ins Wasser gebracht und bis spät in die Nacht das Rigg gestellt und getrimmt.
Am Mittwoch war dann zunächst viel Geduld von nöten, aber darin habe ich ja inzwischen jede Menge Übung.
Der starke Westwind wollte und wollte nicht wie angekündigt nachlassen. Erst am Nachmittag konnte man ein abflauen erahnen und wir so haben uns auf den Weg gemacht.
Wir,das waren in diesem Fall Freund Olli und ich, der Rest der Crew hatte sich inzwischen auf der halben Welt verteilt.
Nachgelassen hatte der Wind aber nur wenig, so begann meine Reise mit einer herzhaften Kreuz nach Kiel. Um drei Uhr erreichten wir dann die Schleuse Holtenau und gönnten uns am Wartesteg drei Stunden wohlverdienten Schlaf. Am Donnerstag um 6.30 Uhr waren wir die erste Yacht die Einlass in den Kanal begehrte, mussten dann aber doch auf einige Langschläfer warten.
Den restlichen Tag verbrachten wir dann bei sonnigem Wetter auf dem Nord-Ostsee-Kanal.
Für viele Binnenländer wäre so eine Tagesfahrt durch Schleswig-Holstein wohl ein Highlight des Urlaubs, wenn man die Tour aber schon ein paar mal gemacht hat ist es nur noch langweilig und monoton. Nach gut neun Stunden Motorfahrt erreichten wir gegen halb fünf dann Brunsbüttel und schleusten mal wieder in die Elbe.
Dort konnten wir sogar segeln und passierten ohne weitere Probleme selbst die böse Tonne 40...
Zum Sonnenuntergang legten wir dann Cuxhaven an, klarten kurz das Schiff auf und genossen anschließend das von Vaddern gesponserte Steak in der Seglerbörse.
Am Freitag erforderte die Tide ein frühes Aufstehen, letzte Proviantergänzungen wurden von Mutters an den Steg geliefert und gegen neun ging es dann endlich los.
Das kleine Verabschiedungskommitee (Muttern, Vaddern und Hannes) winkte vom Steg und knippste Fotos und wir fuhren zunächst unter Motor, dem Fahrwasser folgend aus der Elbe.
Die Insel Scharhön (nach ihr waren die Boote meines Vaters auf denen ich Segeln lernte benannt) passierend verließ uns der Ebbstrom aber immerhin kam Wind auf und so ging es ohne Motorkraft weiter. Aufgrund der Wetterlage entschieden wir uns für den kürzesten aber nicht unbedingt bequemsten Weg in Richtung Kanal, südlich der Verkehrstrennungsgebiete, entlang der Küste.
Dort hat man mehr mit der Berufsschifffahrt zu schaffen als auf dem Westkurs Richtung England und dicke Pötte bedeuten Stress – aber dazu später mehr.
Zunächst konnten wir sogar meinen neuen aber uralten Beilken-Spinnaker setzen, ein riesen Teil mit stehts gewässertem Unterliek. In Rauschefahrt liessen wir schnell die deutsche Küste hinter uns.
Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von über sechs Knoten ging es zügig dem Kanal entgegen.
Vor Rotterdam hatte ich dann eine unheimliche, nächtliche Begegnung mit einem Tanker.
Olli lag in der Koje und es ging problemlos voran. Vorraus lag, schon lang zu sehen und hell beleuchtet ein Dickschiff ohne Fahrt, das AIS zeigte nur eine MMSI Nummer und eine Geschwindigkeit von 0,5 Kn. Der Kurs passte und ich steuerte mit reichlich Abstand daran vorbei.
Ich war gerade unter Deck um auf der Karte und dem PC den weiteren Kursverlauf zu prüfen, da entpuppte sich das AIS Signal als kleiner Lotsenversetzer, der nun wieder der Heimat entgegen brauste. Der große Pott sendete allerdings keinerlei AIS Informationen und mit Entsetzen stellte ich bei einem Blick aus dem Fenster fest, dass dieser nun kräftig Fahrt aufnahm und direkt auf unseren Kurs zudrehte. Haben wir denn keine Positionleuchten? Keinen aktiven Radarreflektor? Oder hat der Rudergängers keine Augen und eine völlig falsch justierte Radaranlage? Egal, es musste was passieren sonst wäre was passiert. Und ein Tanker ist dann doch ein anderes Kaliber als eine Fahrwassertonne.
Also ein hurtiger Weckruf an die Freiwache und dann eine Manöver des letzten Augenblicks. Beigedreht liessen wir den dicken Pott unter wüsten Beschimpfungen nur wenige hundert Meter entfernt passieren.
Da wir uns von mordlüstigen Tankerkapitänen natürlich nicht lange aufhalten lassen, setzen wir unseren Weg in Richtung Strasse von Dover fort.
Diese passierten wir dann am Sonntag, leider verließ uns, mit dem Verlassen der Nordsee auch der herrliche Ostwind und wich zunächst einer Flaute direkt vor Calais.
Später wehte es dann aus West und wir mussten bis kurz vor die Seinemündung laufen um wieder einen passenden Kurs nach der Wende zu bekommen.
Den von Petrus in den vergangenen Tagen geleisteten Vorschuss mussten wir in den letzten 24 Stunden dann zurück zahlen. Der Wind nahm stetig zu und wehte direkt von vorne. Genua gerefft, gegen die Fock gewechselt, erstes Reff ins Groß, zweites Reff ins Groß. Schlieslich pfiffen uns dann zeitweise 35 Knoten ins Gesicht und die Tide stand auch gegen uns.
So ging es in die letzte Nacht und es war wirklich ungemütlich.
Kurz vor Cherbourg machten uns dann nochmal die dämlichen Tonnen Probleme.
Zunächst war eine für uns wichtige Untiefentonne verloschen und da ich, verständlicherweise, eine gewisse Allergie gegen Tonnen im Nahbereich entwickelt habe, kostete der Sicherheitsbogen uns mühsam erkämfte Höhe, dennoch beruhigt es dann doch ungemein, wenn die dunkle Tonne endlich vor den Lichtern der Küste auszumachen ist.
Eine weitere dicht passierte, unbeleuchtete Tonne entging nur knapp meiner blutigen Rache und führte zum sofortigen Wiedereinklappen der zuvor aufgestellten Sprayhood.
Irgendwann gegen kurz vor sieben am Morgen erreichten wir dann endlich Cherbourg und wurden noch im Vorhafen von einem heftigen Regenschauer begrüßt, immerhin brauchten wir so am Liegeplatz unser Ölzeug nicht mit Süßwasser spülen.
Wir fanden einen ruhigen Liegeplatz direkt vor der Capitanerie und holten erstmal unser Schlafdefizit auf.
Am Nachmittag klarten wir die Gioia auf und unternahmen einen Marsch in die Stadt, zwecks Baguettebeschaffung. Dazu gabs Aioli und Rilettte, das ganze dann auf einer Parkbank mit Blick auf einen älteren Open60 im Hafenbecken. Wir sind in Frankreich!!
Da auf Freund Olli in Greifswald ja eine Familie wartet, stand auch noch die Suche nach einer praktischen und vor allem günstigen Verkehrsverbindung an.
Dieses Problem entwickelte sich zur größten Schwierigkeit der ganzen Reise aber letztlich fand sich auch dafür eine Lösung.