Samstag, 22. Oktober 2011

Generalprobe verpatzt – Premiere ein voller Erfolg! Erste Etappe Fehmarn-Cherbourg, 12.10. bis 19.10.2011




Ansich sollte es ja schon Anfang September los gehen, ging es auch – allerdings nicht allzu weit.
Auf der Elbe kurz vor Cuxhaven besaß eine kleine, zierliche Fahrwassertonne die Frechheit sich uns in den Weg zu stellen. Gut, das Vorschiff sah eher aus wie der Lagerboden eines Segelmachers, es war Nacht und die Tonne war nur zu 50% der Zeit beleuchtet aber dennoch hat es ganz schön gekracht. Mit 10kn rammt man ja auch keine stählernen Hindernisse.
Immerhin konnte die Gioia so ihre Stabilität unter Beweis stellen.
Auch wenn es nicht ohne Schäden von statten ging, Gefahr fürs Boot oder gar die Crew bestand zu keinem Zeitpunkt. Etwas vermessen könnte ich jetzt behaupten, auch vor Eisbergen und Korallenriffen keine Angst mehr zu haben.
Am Morgen nach dem Crash entschieden wir, die Gioia direkt zurück nach Fehmarn zu bringen um dort die Reparatur vorzunehmen. Aus der dafür veranschlagten einen Woche wurden schließlich ganze sechs und meine Sorgen, dem nordeuropäischen Herbst nicht mehr entkommen zu können wuchsen von Tag zu Tag.
Zumindest konnte ich die Wartezeit nutzen um die Gioia weiter vorzubereiten, die Segel nocheinmal ändern zu lassen und einige Tiefdruckgebiete auszusitzen.
Pünktlich zur Fertigstellung zeigte sich Petrus dann auch großzügig und es öffnete sich ein Wetterfenster für die Querung der Nordsee und des engl. Kanals.
Am Montag, dem 10.10. wurde nochmal der Proviant aufgefüllt, am Dienstag haben wir die Gioia ins Wasser gebracht und bis spät in die Nacht das Rigg gestellt und getrimmt.
Am Mittwoch war dann zunächst viel Geduld von nöten, aber darin habe ich ja inzwischen jede Menge Übung.
Der starke Westwind wollte und wollte nicht wie angekündigt nachlassen. Erst am Nachmittag konnte man ein abflauen erahnen und wir so haben uns auf den Weg gemacht.
Wir,das waren in diesem Fall Freund Olli und ich, der Rest der Crew hatte sich inzwischen auf der halben Welt verteilt.
Nachgelassen hatte der Wind aber nur wenig, so begann meine Reise mit einer herzhaften Kreuz nach Kiel. Um drei Uhr erreichten wir dann die Schleuse Holtenau und gönnten uns am Wartesteg drei Stunden wohlverdienten Schlaf. Am Donnerstag um 6.30 Uhr waren wir die erste Yacht die Einlass in den Kanal begehrte, mussten dann aber doch auf einige Langschläfer warten.
Den restlichen Tag verbrachten wir dann bei sonnigem Wetter auf dem Nord-Ostsee-Kanal.
Für viele Binnenländer wäre so eine Tagesfahrt durch Schleswig-Holstein wohl ein Highlight des Urlaubs, wenn man die Tour aber schon ein paar mal gemacht hat ist es nur noch langweilig und monoton. Nach gut neun Stunden Motorfahrt erreichten wir gegen halb fünf dann Brunsbüttel und schleusten mal wieder in die Elbe.
Dort konnten wir sogar segeln und passierten ohne weitere Probleme selbst die böse Tonne 40...
Zum Sonnenuntergang legten wir dann Cuxhaven an, klarten kurz das Schiff auf und genossen anschließend das von Vaddern gesponserte Steak in der Seglerbörse.
Am Freitag erforderte die Tide ein frühes Aufstehen, letzte Proviantergänzungen wurden von Mutters an den Steg geliefert und gegen neun ging es dann endlich los.
Das kleine Verabschiedungskommitee (Muttern, Vaddern und Hannes) winkte vom Steg und knippste Fotos und wir fuhren zunächst unter Motor, dem Fahrwasser folgend aus der Elbe.
Die Insel Scharhön (nach ihr waren die Boote meines Vaters auf denen ich Segeln lernte benannt) passierend verließ uns der Ebbstrom aber immerhin kam Wind auf und so ging es ohne Motorkraft weiter. Aufgrund der Wetterlage entschieden wir uns für den kürzesten aber nicht unbedingt bequemsten Weg in Richtung Kanal, südlich der Verkehrstrennungsgebiete, entlang der Küste.
Dort hat man mehr mit der Berufsschifffahrt zu schaffen als auf dem Westkurs Richtung England und dicke Pötte bedeuten Stress – aber dazu später mehr.
Zunächst konnten wir sogar meinen neuen aber uralten Beilken-Spinnaker setzen, ein riesen Teil mit stehts gewässertem Unterliek. In Rauschefahrt liessen wir schnell die deutsche Küste hinter uns.
Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von über sechs Knoten ging es zügig dem Kanal entgegen.
Vor Rotterdam hatte ich dann eine unheimliche, nächtliche Begegnung mit einem Tanker.
Olli lag in der Koje und es ging problemlos voran. Vorraus lag, schon lang zu sehen und hell beleuchtet ein Dickschiff ohne Fahrt, das AIS zeigte nur eine MMSI Nummer und eine Geschwindigkeit von 0,5 Kn. Der Kurs passte und ich steuerte mit reichlich Abstand daran vorbei.
Ich war gerade unter Deck um auf der Karte und dem PC den weiteren Kursverlauf zu prüfen, da entpuppte sich das AIS Signal als kleiner Lotsenversetzer, der nun wieder der Heimat entgegen brauste. Der große Pott sendete allerdings keinerlei AIS Informationen und mit Entsetzen stellte ich bei einem Blick aus dem Fenster fest, dass dieser nun kräftig Fahrt aufnahm und direkt auf unseren Kurs zudrehte. Haben wir denn keine Positionleuchten? Keinen aktiven Radarreflektor? Oder hat der Rudergängers keine Augen und eine völlig falsch justierte Radaranlage? Egal, es musste was passieren sonst wäre was passiert. Und ein Tanker ist dann doch ein anderes Kaliber als eine Fahrwassertonne.
Also ein hurtiger Weckruf an die Freiwache und dann eine Manöver des letzten Augenblicks. Beigedreht liessen wir den dicken Pott unter wüsten Beschimpfungen nur wenige hundert Meter entfernt passieren.
Da wir uns von mordlüstigen Tankerkapitänen natürlich nicht lange aufhalten lassen, setzen wir unseren Weg in Richtung Strasse von Dover fort.
Diese passierten wir dann am Sonntag, leider verließ uns, mit dem Verlassen der Nordsee auch der herrliche Ostwind und wich zunächst einer Flaute direkt vor Calais.
Später wehte es dann aus West und wir mussten bis kurz vor die Seinemündung laufen um wieder einen passenden Kurs nach der Wende zu bekommen.
Den von Petrus in den vergangenen Tagen geleisteten Vorschuss mussten wir in den letzten 24 Stunden dann zurück zahlen. Der Wind nahm stetig zu und wehte direkt von vorne. Genua gerefft, gegen die Fock gewechselt, erstes Reff ins Groß, zweites Reff ins Groß. Schlieslich pfiffen uns dann zeitweise 35 Knoten ins Gesicht und die Tide stand auch gegen uns.
So ging es in die letzte Nacht und es war wirklich ungemütlich.
Kurz vor Cherbourg machten uns dann nochmal die dämlichen Tonnen Probleme.
Zunächst war eine für uns wichtige Untiefentonne verloschen und da ich, verständlicherweise, eine gewisse Allergie gegen Tonnen im Nahbereich entwickelt habe, kostete der Sicherheitsbogen uns mühsam erkämfte Höhe, dennoch beruhigt es dann doch ungemein, wenn die dunkle Tonne endlich vor den Lichtern der Küste auszumachen ist.
Eine weitere dicht passierte, unbeleuchtete Tonne entging nur knapp meiner blutigen Rache und führte zum sofortigen Wiedereinklappen der zuvor aufgestellten Sprayhood.
Irgendwann gegen kurz vor sieben am Morgen erreichten wir dann endlich Cherbourg und wurden noch im Vorhafen von einem heftigen Regenschauer begrüßt, immerhin brauchten wir so am Liegeplatz unser Ölzeug nicht mit Süßwasser spülen.
Wir fanden einen ruhigen Liegeplatz direkt vor der Capitanerie und holten erstmal unser Schlafdefizit auf.
Am Nachmittag klarten wir die Gioia auf und unternahmen einen Marsch in die Stadt, zwecks Baguettebeschaffung. Dazu gabs Aioli und Rilettte, das ganze dann auf einer Parkbank mit Blick auf einen älteren Open60 im Hafenbecken. Wir sind in Frankreich!!
Da auf Freund Olli in Greifswald ja eine Familie wartet, stand auch noch die Suche nach einer praktischen und vor allem günstigen Verkehrsverbindung an.
Dieses Problem entwickelte sich zur größten Schwierigkeit der ganzen Reise aber letztlich fand sich auch dafür eine Lösung.