Donnerstag, 3. Mai 2012

Point of no Return – jetzt muss ich mich wohl entscheiden

Die Tage vergehen mal wieder wie im Flug. Selbst Kleinigkeiten halten mich einen halben Tag auf Trab. Busverbindungen sind zwar vorhanden aber nicht immer zuverlässig, ist der Busfahrer mal in Eile, läßt er auch mal einen Teil der Route aus und nimmt eine Abkürzung. Als ahnungsloser Tourist wartet man dann vergeblich an der Bushaltestelle bzw. sitzt bis zur Endstation im stickigen Bus, nur um anschließend die gleiche Strecke wieder retour zu fahren. Besonders ärgerlich ist soetwas, wenn man nach einem Supermarktbesuch mit einem Rucksack voller Obst, Yogurt und Aufschnitt dann in der prallen Sonne warten muss und den Lebensmitteln beim Vergammeln fast schon zuhören kann. Aber immerhin gibt es Busverbindungen und manchmal sogar kostenlose Shuttlebusse zum Supermarkt. Gestern konnte ich nun endlich mit dem Chef des Seaquariums sprechen, ich hatte ja ein wenig die Hoffnung dort einen kleinen Job zu bekommen, insbesondere weil die einzelnen Aquarien dringend etwas Zuwendung gebraucht hätten. Allerdings zeigte sich im Gespräch, dass der Zustand der Aquarien die Interessenlage des Inhaber recht gut wiederspiegeln. Sein Augenmerk liegt inzwischen auf seinem Uboot und seinem Forschungsschiff, die Aquarien laufen nur noch so nebenbei und werden ohne große Sachkenntniss betreut und leider besteht wohl auch kein Interesse daran etwas zu ändern. Am vergangenen Wochenende konnte ich Matthias (dem hier auf Curacao als Delphintherapeut arbeitenden Bruder meines Freundes Martin) ein bisschen beim Anbau eines Vordaches an sein Haus helfen, zwei Tage haben wir zusammen mit drei weiteren Freunden gesägt, gebohrt und geschraubt und konnten am Sonntagabend auf einer richtig schicken Veranda unseren Sundowner trinken. Richtig viel Spaß hat es gemacht mal wieder an etwas anderem als der Gioia zu basteln. Aber auch mein schwimmender Untersatz kommt nicht zu kurz. Inzwischen habe ich abermals ein neues Display für den Autopiloten eingebaut, allerdings nicht ohne vorher die zu langen Schrauben zu kürzen. Denn die hatten mir in den vergangenen Wochen all die Probleme bereitet (durch ihre Überlänge haben sie von hinten das Displaygehäuse geknackt und so der salzigen Feuchtigkeit Zugang zur Elektronik verschafft – diese hat das natürlich umgehend mit Korrosion und letztendlich einem Kurzschluss quittiert). Auch habe ich endlich mal das Schaltgestänge an der Steuersäule ordentlich geschmiert, allerdings ist mir dabei eine der Schrauben des Schaltgehäuses abgerissen und wieder wurde aus einer Kleinigkeit eine fast tagesfüllende Beschäftigung. Jetzt warte ich noch auf eine Rückmeldung des örtlichen Riggers, ich hoffe, dass er mir mit einigen Teilen für meinen Spibaum weiterhelfen kann. Für heute habe ich mir vorgenommen die Bremse meiner Ankerwinsch wieder gangbar zu bekommen und dann fehlt eigentlich nur noch ein Päckchen aus Fehmarn mit dem neuen Steuergerät für meine Heizung um die Gioia wieder 100% für die nächsten Etappen vorbereitet zu haben. Damit wären wir dann auch beim Titel dieses Berichtes. Hier auf Curacao, nur noch gute 500 Meilen vom Panamakanal entfernt, wird mir nun besonders bewußt, dass ich nun eine Entscheidung treffen muß. Bisher habe ich ja versucht nicht allzu viele Pläne zu schmieden und bin einfach drauf los gesegelt. Nehme ich jetzt aber den Kanal in Angriff und wechsel damit vom Atlantik zum Pazifik ist mir der schnelle Rückweg nach Europa erstmal verbaut. Von Curacao aus könnte ich noch recht bequem Kurs Nord einschlagen und dann irgendwann in Richtung Osten die Azoren ansteuern. Bin ich aber erstmal auf dem Pazifik lägen viele tausend Meilen westwärts vor mir und als Alternative bliebe nur der große Bogen ums Kap Horn zurück in den Atlantik. Eine Route die schon der große Bernard Moitessier als den logischen Weg beschrieben hat. Ich gebe aber gerne und offen zu, dass ich sowohl vor der langen Route gen Westen als auch vor dem Weg ums Kap Horn gehörigen Respekt habe. So sitze ich nun häufig im Cockpit, blättere in meinen Büchern, messe die Distanzen auf den Seekarten und rechne mit spitzer Feder im Kassenbuch der Gioia. Denn leider ist mein Budget in den letzten Monaten schneller geschrumpft als gedacht und somit werden nicht nur Jahreszeiten und Entfernungen sondern auch ganz profane finanzielle Fragen limitierende Faktoren zur weiteren Törnplanung. Die Lebenshaltungskosten halten sich zwar sehr in Grenzen, große Restaurant- und Barbesuche habe ich mir ja schon lange abgewöhnt und die paar Nudeln und Karotten die ich zum Leben brauche, sind kaum der Rede wert, aber die anfallenden Kleinigkeiten zur Bootsinstandhaltung summieren sich inzwischen doch schon ganz ordentlich. Verzichte ich aber auf den Pazifik, muss ich mich richtig sputen, denn mit jedem Tag drohen nun vermehrt Hurricanstürme in der östlichen Karibik Letztlich denke ich, dass ich mich der Herausvorderung des Pazifiks stelle und nach der Passage des Panamakanals direkt die Marquesas ansteuere, dort kann ich dann immernoch entscheiden ob es weiter gen Westen oder rund ums Horn zurück geht.