Samstag, 19. Mai 2012

Der Pazifik kann warten

Nach langem hin und her habe ich mich endlich zu einer Entscheidung durchgerungen. Ende des Monats kommt die Gioia für einige Monate aufs Trockene und der Skipper geht auf Heimaturlaub. Gestern habe ich den Krantermin und den Stellplatz klar gemacht und einen Flug gebucht. Diese Entscheidung hat verschiedene Gründe. Hauptsache ist aber erstmal, dass ich mich sehr wohl damit fühle und überzeugt bin, hier und jetzt das Richtige zu tun. Zunächstmal hatte ich ja schon geschrieben, dass das Segelfeuer nach nunmehr acht Monaten an Bord und 6.000 Seemeilen im Kielwasser nicht mehr ganz so heiß in mir brennt, ich möchte es einfach ein bisschen ruhiger angehen lassen. Entspanntes Inselhopping ist aufgrund der Jahreszeit jetzt aber nur noch eingeschränkt möglich, hier unten wird’s langsam immer heißer und feuchter, im Norden drohen Hurricane und im Westen beginnt die Regenzeit. Mich jetzt in Richtung Panamakanal zu begeben hätte mir Bachschmerzen bereitet, die lange Anmeldeprozedur bei tropischen Regenfällen zu erledigen, eventell aufgrund des späten Termins keine anderen Boote zur gegenseitigen Unterstützung mehr zu treffen und dann den riesigen Pazifik mit Zeitdrck im Nacken angehen zu müssen, nein, das hätte womöglich Stress bedeutet und dem gehe ich lieber aus dem Weg. Alternativ wären noch die SanBlas Inseln vor Panama in Frage gekommen, aber auch dort hält langsam die Regenzeit Einzug und eine Möglichkeit die Gioia sicher an Land zu stellen wäre westlich von hier nicht absehbar gewesen. Wie ich es schon geschrieben habe, point of no return. Die südamerikanische Festlandsküste ist mit Sicherheit sehr sehenswert, allerdings in weiten Teilen nicht wirklich sicher (zumindest was Venezuela angeht) und auch kein Ort um Gioia ggfs alleine zu lassen. Hier auf Curacao zu übersommern habe ich einfach keine Lust, die Bucht ist zwar sicher und gut geschützt, die Infrastruktur ausgesprochen komfortabel aber es wird verdammt heiß, bei nächtlichen Regenfällen und deshalb geschlossenen Decksluken herrscht unter Deck ein saunaartiges Klima das nicht wirklich schlaffördernd ist. Zudem wird es nach einigen Wochen am gleichen Ort allein an Bord auch mal langweilig. Jetzt habe ich die Möglichkeit mir in Ruhe zu überlegen wie es weitergeht (das es weiter geht steht ausser Frage), im Herbst zu den San Blas oder doch noch eine Runde durch die östliche Karibik. Vielleicht finden sich auch andere Boote mit denen ich gemeinsam einen Teil des weiteren Weges angehen kann. Jetzt kommt die Gioia also erstmal an Land, die moderne Werft ist absolut sicher und gut ausgestattet, im Herbst habe ich dann noch Gelegenheit das Unterwasserschiff neu zu streichen und einige Lackstellen auszubessern. In der Zwischenzeit werde ich in Deutschland versuchen ein bisschen Geld zu verdienen, einige Weichen für die Zukunft stellen, meine Familie und Freunde wiedersehen und es genießen mal wieder nachts zu frösteln, lange Hosen und mehr als ein T-Shirt zu tragen. Nur vor der Vorstellung von Socken und festem Schuhwerk graut es mir, immerhin haben meine Füße jetzt sechs Monate ununterbrochen Luft und Freiheit genossen.