Nein, hier geht es nicht um Schiller oder Beethoven. Auch wenn man auf die Idee kommen könnte, dass schon Schiller mein Boot, die "GIOIA" gekannt haben muss als er die Ode an die Freude schrieb. Ganz so alt ist die Gioia dann aber doch nicht. Hier berichte ich über mein Segelboot, die Gioia und unsere gemeinsame Reise, beginnend im August 2011. Herzlich Willkommen.
Donnerstag, 10. Mai 2012
Internet, Wetter, Weingummi und ein Dentist
Hyperaktivität war ja noch nie so wirklich mein Ding. Auch wenn mein bisheriger Reiseverlauf etwas anderes vermuten ließ, habe ich schon immer alles etwas geruhsamer angehen lassen und mich wohl dabei gefühlt. So ist es jetzt auch im Spaanse Water, meiner Ankerbucht auf Curacao.
Der Tag beginnt im Cockpit mit einem Becher Kakao und einer guten Stunde im Internet.
Da lese ich dann die neusten Nachrichten aus Politik, Wirtschaft und Sport, informiere mich über die Wind- und Wettersituation der kommenden Tage und schmökere in den Internetreiseberichten anderer Segler. Mein momentaner Favorit dabei ist www.sawadi.info , Skipper Steffo läßt es deutlich ruhiger angehen als ich und liegt nach fünf Jahren Reisezeit nur noch rund 500 Meilen vorraus auf den San Blas Inseln vor Panama.
Wenn dann die Lesestunde beendet ist, geht’s erstmal zum richtig wach werden ins Wasser und ich schwimme einige Runden um die Gioia.
Im Unterschied zu Le Marin, wo ich jeden Liter Wasser per Dinghi mühsam im Kanister ranschaffen musste, kommt hier einmal in der Woche das Waterboat vorbei und liefert frisches Süßwasser, wie auf der ganzen Insel ist H2O nicht wirklich billig (ca. 0,06€ / Liter) aber bei einem Verbrauch von knapp 100 Litern in der Woche bringt mich die kurze, tägliche Heckdusche nicht an den Bettelstab.
Wenn Einkäufe anstehen, geht’s um 10 Uhr mit dem Shuttlebus zum Supermarkt, dort hat man dann eine Stunde Zeit um alles zu besorgen und wird anschließend wieder direkt am Dinghianleger abgesetzt. Die hiesigen Supermärkte bieten europäischen Standard, man kann shoppen was das Herz begehrt. Da gibt es Gesundes wie Obst und Gemüse aber eben auch weniger Gesundes wie z.B. Weingummi und Lakritz. Da konnte ich natürlich nicht widerstehen und hab auch gleich den Preis bezahlen müssen. Ein herzhafter Biss ins Weingummi und es hat Knack gemacht. Das war es dann mit der Füllung meines Backenzahns. Aber auch die Zahnärzte bieten durchaus europäischen Standard und so hab ich mir gleich eine neue Kunststofffüllung verpassen lassen. Eine gute Stunde lag ich auf dem Stuhl und hab anschließend 199,- US $ bezahlen dürfen. Nun bin ich gespannt, wie ich diesen ersten Schadensfall mit meiner Auslandskrankenversicherung abgerechnet bekomme. Ich werde berichten.
An den Nachmittagen bin ich entweder ein bisschen auf der Insel unterwegs, wobei das bisher gesehene nicht allzu spektakulär war oder verbringe die heißen Stunden mit einem Buch im beschatteten Cockpit. Ausgesprochen unterhaltsam und informativ war in den letzten Tagen „Der Sturz der Titanen“ von Ken Follett, eine Geschichte über die Ursachen und den Verlauf des ersten Weltkrieges. Tausend Seiten in vier Tagen – ich sag ja, ich laß es geruhsam angehen...
Am Abend geht’s dann manchmal zum Seglerschnack auf ein Bier in die Hafenbar am Dinghianleger, wobei sich hier im Spaanse Water mal wieder deutlich zeigt, dass ich fürs Langfahrtsegeln ansich noch zu jung bin, der Altersdurchschnitt liegt doch deutlich jenseits der sechzig.
An anderen Abenden guck ich nach dem Essen einen Spielfilm oder surfe ein wenig im Netz und gehe zeitig in die Koje. Seglers Midnight ist eben doch bereits um 21 Uhr.
Statt des gewohnten, recht kräftigen Passatwindes war es in den vergangenen Tagen eher schwachwindig aus wechselnden Richtungen. Hinzu kamen recht kräftige nächtliche Niederschläge (an einem Morgen standen im Dinghi über 20cm Regenwasser!). Inzwischen normalisiert sich die Passatlage wieder und das ist auch gut so, denn der fehlende Wind ermöglichte es den nervigen Mücken an Bord zu kommen (keine Sorge, das ist nur lästig aber nicht gefährlich – Malaria gibt’s hier nicht) und die Niederschläge zwangen mich die Decksluken zu schließen, da wurde es dann richtig schön warm und stickig unter Deck, immerhin hat das umgebende Wasser hier 27° C.
Diese Wetterlage ist ansich untypisch so früh im Jahr, ist sie doch normalerweise das, was Curacao von den weiter nördlich durchziehenden Hurricanes abbekommt. Auch wenn es kein Sturm war, so gab es auf Martinique sintflutartige Niederschläge und westliche Winde. Wie ich gehört habe, ist der schöne Strand von St. Anne kaum noch vorhanden und die Bucht von Le Marin voll von eingespültem Müll, Laub und treibenden Ästen. Man gut dass ich dort weg bin.
Ansonsten gibt es nicht viel Neues zu berichten, ich ringe immer noch mit der Entscheidung wie es nun weiter geht, weiter nach Westen, noch schnell zurück in Richtung Azoren oder mit dem Flieger für einige Wochen in die Heimat? Jeden Morgen geht das Pendel in eine andere Richtung.
Sobald sich dbzgl etwas tut, lass ich es euch hier wissen.
Ach ja, moderne Zeiten. Neulich Abend war mein Internetzugang tatsächlich schnell genug um ein kostenloses Bildtelefonat via Skype in die Heimat zu führen, das ist doch wirklich Science Fiction oder? Da sitze ich in einer karibischen Ankerbucht und kann einem Freund in Hamburg den herrlichen Sonnenuntergang live mitverfolgen lassen.
Soweit für heute, demnächst kommen auch mal wieder ein paar Fotos.