Donnerstag, 23. Mai 2013

Von Orcas, Walhaien und Riesenkalmaren...

kann ich diesmal leider nicht berichten, auch anderes Viechzeug hat sich kaum einmal sehen lassen. Außer an den ersten und letzten zwei Tagen sind mir fast keine anderen Schiffe begegnet und abgesehen von zwei drei Wellen, ein paar Sonnenuntergängen und nicht ganz alltäglichen Sternenhimmeln gab es tatsächlich für mich nicht viel zu sehen, dafür aber eine Menge zu fühlen. 2500 Meilen ohne Unterbrechung gegen den Wind, drei Wochen auf Backbordbug mit dicht geholten Schoten, zwanzig Tage Leben mit 25° Krängung. Klingt unbequem, das war es sicher auch, es war aber eben auch eine ganz besondere Erfahrung dem Ozean jeden Meter gegen Wind und Welle abzuringen. Die vergangenen drei Wochen waren für mich die schönsten, beeindruckensten und wahrscheinlich auch lehrreichsten Tage der gesamten bisherigen Reise. Im Vergleich dazu erscheinen die Monate in den tollsten Buchten und auf den schönsten Inseln der Karibik wie reine Zeitverschwendung (das soll jetzt aber nicht heißen, dass mir die Zeit in der Karibik garnicht gefallen hat). Inzwischen liegt mein Boot drei Tage am Steg in Lajes vertäut und nachdem die Gioia versorgt, die Nachbarn und ihre Geschichten kennengelernt und die endlich wieder unkomplizierten Anmeldeformalitäten erledigt sind (Hafenmeister, Zoll und Polizei kommen zum Boot und sind ausgesprochen freundlich), beginne ich langsam damit den Törnverlauf zu rekapitulieren. Leider gibt es dazu einen besonderen, bedrückenden Anlaß. Wie ich hier erfahren habe, sind seit mehreren Wochen zwei Yachten überfällig, die ebenfalls mit dem Ziel Azoren unterwegs waren. Zum Einen wird eine französische 35 Fuß Yacht mit drei Personen und zum Anderen eine norwegische 70 Fuß Yacht mit fünf Besatzungsmitgliedern vermißt. Ich vermute, dass beide Schiffe dem Sturm , von dessen Vorhersage ich am 26.04. hier im Blog berichtet habe, zum Opfer gefallen sein könnten. Weniger beschäftigt mich die Sorge, dass mir ähnliches zustößt (mit der Gioia samt Rettungsinsel, Überlebensanzug, Satphone und Notfallsender an Bord, müsste es auch wirklich ganz dicke kommen), vielmehr drehen sich meine Gedanken um die Vorstellung, dass ich möglicherweise irgendwann an einer treibenden Rettungsinsel vorbei gesegelt bin und weil ich als Einhandsegler nicht ständig Ausschau halten kann, nichts davon bemerkt habe. Nachts hätte ich die Schiffbrüchigen in Rufweite passieren können ohne zu reagieren. Auch rote Notfallraketen hätten in mir einen schlechten Adressaten gefunden. Zweimal habe ich unterwegs Kringel um treibende, orange Objekte gesegelt – beide Male handelte es sich um Fischereiausrüstung aber beide Male war auch ne Menge Adrenalin im Blut, „ist es doch eine Rettungsinsel oder -Weste?“ Blöde Gedanken. Zurück zu den schönen Seiten meines Törns. Nachdem ich den Kontinentalschelf hinter mir hatte (dort stand eine ätzende steile Welle) wurde es zunächst immer ruhiger und vor allem heißer. Einen Flautentag konnte ich nutzen um den beschädigten Baumkicker (das ist das Teil das den Großbaum in der Wagerechten hält) zu reparieren. Vier von sechs Schrauben des Endbeschlags waren abgeschert und so drehte sich das Ding um die verbliebenen beiden Schrauben. Selbstverständlich waren die beiden Edelstahlschrauben im Aluguss des Baumkickers derartig festgegammelt, dass an einfaches Abschrauben nicht zu denken war. Die alten Gewinde waren nicht mehr zu gebrauchen, also vier neue Bohrungen, vier neue Gewinde schneiden und dann vier neue Schrauben rein. Zusammen mit einer Menge Sikaflex sollte das ganze nun bis in die Heimat halten. Zu Beginn der zweiten Woche musste ich mir eingestehen, dass mein ursprüngliches Vorhaben, die Azoren auf sehr direkter, südlicher Route zu erreichen nicht aufging. Eine recht unangenehme Welle und sehr variable, eher schwache Winde verhinderten eine Geschwindigkeit, die notwendig gewesen wäre um den Rand eines südwestlich der Azoren gelegenen Tiefdruckgebietes zu erreichen. Allerdings boten die Vorhersagen keine wirkliche Alternative und meine Routings (vom Computer auf Basis sehr kleinflächiger Windvorhersagen erstellte Kursempfehlungen) rieten mir lange zu einer direkten Kreuz. Letztlich entschied ich mich am 7.5. die bisher geplante Route aufzugeben und ganz traditionell im Norden bessere Wind zu suchen. Wirklich gefunden habe ich sie dort ja auch nicht aber vermutlich wäre die Suche auf der südlichen Route zumindest ebenso vergeblich gewesen. So segelte ich die gesamte zweite Woche auf Backbordbug hart am Wind in Richtung Norden bis der Wind schließlich von Nordost über Ost auf Südost drehte und mir in der dritten Woche ermöglichte auf östlichen Kursen die Azoren zu anzusteuern. Beim ganzen Törnverlauf ist es nur selbstverständlich, dass der Wind am letzten Tag aus Süd kam – schließlich stand ich im Norden meines Ziels. Also buchstäblich bis zur allerletzten Meile hoch am Wind. Das Lee der Insel Flores bescherte mir zudem stark drehende Winde und Kreuzseen, die trotz mitlaufender Maschine immer wieder jegliche Fahrt aus dem Schiff nahmen. Durch diese Verzögerung war es auch nicht möglich den Hafen von Lajes vor der Dunkelheit zu erreichen. Nach einigem Zögern entschied ich mich trotzdem zum Einlaufen, der Mond brachte reichlich Licht und die große Außenmole versprach guten Schutz um die Segel zu bergen und die Gioia vorzubereiten. Glücklicherweise war der Hafen ziemlich leer und so steuerte ich direkt die erste der freien Fingerstegboxen an. Im Nachhinein eine goldrichtige Entscheidung, denn mein Versuch in der Box abzustoppen scheiterte kläglich, statt durch Rückwärtsschub abzubremsen beschleunigte die Gioia und küsste schließlich den Schwimmsteg. Schnell kam Morgan, der junge französische Nachbarlieger zu Hilfe und gemeinsam waren die Festmacher dann schnell ausgebracht. Ihr könnt euch garnicht vorstellen wie glücklich ich war, direkt in die Box gesteuert zu haben, die lange favorisierte Alternative wäre eine Drehung im engen Hafen gewesen und dabei hätte der versagende Rückwärtsgang schnell dazu führen können, dass ich eine andere Yacht vierkant gerammt hätte. So hat nur die Gioia ein etwas Farbe eingebüßt, ein bisschen Glück gehört eben auch dazu. Inzwischen habe ich festgestellt, dass nur der Schaltzug vom Getriebe abgesprungen war, das ist schnell repariert. Ansonsten stehen noch ein paar Kleinigkeiten auf meiner todo Liste, Püttinge abdichten, einen Stagreiter an der Fock austauschen, eine Undichtigkeit im Brauchwasserkreislauf finden und beseitigen, Ruderseile kontrollieren und ggfs nachspannen (das habe ich unterwegs schon einmal machen müssen – war ne echte Freude bei ordentlich Seegang kopfüber in der Backskiste zu hängen), Keilriemen spannen und nen Ölwechsel gönne ich der Maschine wohl auch noch. Eine Einkaufstour habe ich schon hinter mir aber ein bisschen Proviant brauch ich trotzdem noch und dann könnte es ansich wieder losgehen. Momentan plane ich am Sonntag in Richtung Cherbourg zu starten.